Anne Rabe:
"Diese Rede von Marko Martin ist sehr viel mehr als berechtigte und scharfe Kritik am heutigen Bundespräsidenten und früheren Außenminister Steinmeier.
Es stecken viel mehr kluge, schmerzhafte Gedanken in dieser Rede. Marko Martin setzt so gut, wie ich es selten gehört habe, die Friedliche Revolution von 89 in einen gesamtdeutschen Zusammenhang und erläutert zugleich in knappen, präzisen Worten warum unsere Erinnerungskultur so viele Lücken hat, insbesondere in Bezug auf Osteuropa. Dabei verschont er weder die ostdeutsche noch die westdeutsche Debatte und entblößt Gemeinsamkeiten unserer chauvinistischen Weltsichten, ihrer Tradition und der Fortsetzung bis in die Gegenwart.
Auch wenn sich diese Rede in dem Moment vielleicht wie ein Affront angefühlt haben mag, ich glaube, er hat uns allen einen Gefallen getan und diese Gesellschaft auch gegenüber den anwesenden osteuropäischen Vertretern würdevoller vertreten als sie es ist.
Und es ist tatsächlich keine Banalität, dass eine solche Rede im Hause des Staatsoberhaupts möglich ist. Angesichts dessen, was in der Welt gerade vor sich geht und angesichts unserer eigenen Geschichte, sollte uns das nicht nur beglücken sondern ein Ansporn sein, uns mehr abzuverlangen. Mehr Mut und mehr Präzision in Wort und Tat. "